Ohne Hund

 

Wie wäre es ohne Hund?

Mir ginge es blendend, zweifellos, und ich würde gesünder leben, zum Beispiel ohne Haare

in der Luftröhre.

Mein liebevoll angebauter, ökologischer Kräutergarten wäre ohne Maschendraht bequemer

zugänglich.

Ich würde umweltfreundlich dastehen, könnte kompostieren, kein Hund würde jemals wieder

mein verschimmeltes Brot fressen.

Und die Nachbarn, sie alle würden neidisch auf mein Grundstück glotzen.

Keine gottverlassenen Stängel mehr im Garten, meine Blumen hätten Köpfe.

Keine elenden Schrumpfsträucher mehr, sie dürften leben und wachsen.

Ich hätte einen Wimbledon-Rasen, saftig grün, wohlgeformt und ohne Tretminen.

Nie wieder muss ich mir den Fuß verstauchen, weil ich in kein Loch mehr falle.

Mein brütendes Taubenpärchen wäre mit Sicherheit nicht ausgewandert.

Ich hätte Besuch, viel Besuch, und alle würden wieder bei mir essen.

Oh ja, eine Schwiegermutter ohne Herpes, sie würde kein Haar mehr in der Suppe finden.

Meine Zimmerpflanzen würden keinem Mord zum Opfer fallen.

Der Teppich hätte Fransen.

Ich könnte viel Strom sparen ohne diesen Hochleistungssauger.

Durch die Terrassenglastür könnte man hindurchsehen.

Ich dürfte den Frühstückstisch verlassen, egal wie lange, und später wäre noch alles da.

Die Steaks würde ich genießen ohne penetranten: „ Gib-mir-die-Hälfte-ab“-Blick.

Ein Abfalleimer ohne Vorhängeschloss, ein toller Gedanke!

Nie wieder müsste ich mir die Zahlenkombination meines Vorratschrankes merken.

Ich wäre stinkend reich, keine Hundesteuer, keine Tierarztkosten, kein Hundefutter, kein

Sockenabonnement.

Am Wochenende dürfte ich ausschlafen, hätte mein Bett für mich alleine und keine kalte

Schnauze im Genick.

Ich würde in angemessener Weise lesen dürfen; keine speichelverklebten Harry-Potter–

Seiten mehr.

Ich würde bei Platschregen hämisch grinsend hinter der Gardine stehen, wenn die anderen

ihre Tölen ausführen.

Grenzenlos könnte ich die Natur genießen und ganze Karnickelherden dürften an mir

vorbeijoggen.

Meine Spaziergänge wären stressfrei, ich müsste mir nicht die Lunge aus dem Hals brüllen,

wenn läufige Hündinnen unterwegs sind.

Mein Hals-Nasen-Ohren-Doktor wäre arbeitslos, nie wieder bekäme ich eine

Stimmbandreizung.

Ich könnte weg bleiben, Tage, Wochen, Monate.

Ein artgerechter Urlaub im 7-Sterne-Hotel wäre kein Traum.

Mein Auto wäre ein sauberes Auto.

Endlich dürfte ich den netten Postboten auf eine Tasse Kaffee bitten.

Ich wäre auch zu Hause gut gekleidet; meine Ballonstoff-Trachten gingen in die Dritte Welt.

Ich würde Boden- und Brillenputztücher sparen.

Ich hätte Platz in den Schränken, viel Platz, dort wären nicht tonnenweise Hundefotos

gelagert.

Nie wieder würden Hundepfoten die Tastatur meines Computers bedienen und die Arbeit

von Tagen löschen.

Der Katzenzüchter von gegenüber würde wieder freundlich mit mir reden, und

der Geflügelfetischist zur linken ginge mir nicht mehr aus dem Weg.

 

Ja, ja, so ein hundeloses Leben hätte wirklich was für sich,

doch andererseits:

wer freut sich denn so ausgelassen, wenn ich nach Hause komme?

Wer beschützt mich?

Wer will ständig bei mir sein?

Wer lässt sich so unendlich lange von mir streicheln?

Wer hat diese Augen?

Wer tröstet mich?

Wem kann ich Dinge anvertrauen, ohne dass sie weitergereicht werden?

Um wen muss ich mich sorgen wie um ein Kind?

Wer ist so unermesslich treu?

Was wäre, wenn es ihn eines Tages nicht mehr gäbe?

Es wäre verdammt einsam im Haus!